Kaya

Ja, ich heiße wirklich so. Ich heiße Kaya und bin trotzdem eine Frau.

Manchmal wundern sich Menschen darüber oder gehen einfach vom Gegenteil aus. Ich erhalte zum Beispiel regelmäßig Post an Herrn Kaya… Manchmal sogar Arztrechnungen. Obwohl die es ja nun wirklich wissen müssten. Wenn es Werbung an Herrn Kaya ist, dann besonders gerne auf türkisch und besonders gerne Autowerbung. Nur kann ich weder türkisch noch Auto fahren. Ein andermal erhielt ich einen Anruf von einer Frau, die ganz aufgeregt auf mich einredete. Ich verstand kein Wort, nur zwischendurch Kaya, aber sie verstand mich genauso wenig und es dauerte einige Zeit bis sie begriff, dass sie sich wohl getäuscht hatte und abrupt auflegte. Vielleicht sollte ich Türkisch lernen.

Das ist natürlich alles kein Zufall. Kaya ist ein türkischer Vorname für Männer (man denke etwa an Kaya Yanar), aber auch ein türkischer Nachname (dann für Männer und Frauen, versteht sich). Mir wurde mal gesagt, dass es auf türkisch so viel wie ‚großer Stein, Fels‘ bedeute. Das erzählte einmal ein Handwerker meinen Eltern, nachdem er sehr ungläubig von dem kleinen Namensschild an meiner Kinderzimmertür zu mir und wieder zurück geblickt hatte. Er war ein wenig schockiert.

Jedenfalls bin ich kein Fels in der Brandung und kann mich deshalb mit dieser Auslegung meines Namens nicht so gut anfreunden. Eine andere Übersetzung gefällt mir da schon besser, und zwar die aus dem jamaikanischen Wortschatz: Hanf heißt Kaya da, Gras, Marihuana, all sowas eben. Nicht umsonst gibt es ja auch eine ganze Platte von Bob Marley mit dem Titel ‚Kaya‘ und ein Lied darauf namens ‚I need Kaya now!‘. Das ist ein Ausruf, den ich mir oft von euch wünsche, kurz bevor ihr in Zukunft mein Blog lest. Von dieser Interpretation meines Namens wollen meine Eltern übrigens nichts gewusst haben, obwohl man sie durchaus beinahe in die Schublade ‚ehemalige Hippies‘ stecken könnte (nicht umsonst ein zeitweilig autarkes Aussteiger-Leben in Südfrankreich).

Was also wollten meine Eltern damit sagen? Meine Mutter eigentlich wenig, bis heute nennt sie mich meistens bei meinem ersten Vornamen (Kaya ist zwar mein Rufname, trotzdem aber nur mein zweiter Vorname), diesen benutzt sie dann aber in allen erdenklichen fremdsprachigen Aussprachen. Nur wenn sie gerade böse auf mich ist oder einfach besonders schlechter Laune, werde ich auch von ihr Kaya genannt. Mein Vater sagt immer, er habe mich nach der griechischen Erdgöttin Gaia benennen wollen, die Schreibweise und dieses Anfangs-G hätten ihm im Deutschen aber nicht so gut gefallen. Mehr Gründe hat er mir bisher nie geliefert.

Durchaus eine angenehme Assoziation, Ursprung der Welt und Anfang zu sein und ich war ja auch nicht umsonst auf einem humanistischen Gymnasium und habe fünf Jahre lang Alt-Griechisch gelernt. Hybris könnte man das demnach auch nennen, seiner Tochter den Namen der ersten aller Göttinnen zu verpassen. Und außerdem eine ziemlich blutrünstige und inzestuöse Geschichte, das Ganze. Aber damit muss ich dann wohl leben.

Nachtrag:

Das Schlimmste – erst gerade eben bei einer kleinen Recherche erfahren – kommt allerdings noch: Gaby Hauptmann hat eine bereits fünfbändige Jugend- und Pferde-Buchserie unter dem Motto Kaya – frei und stark veröffentlicht. Als Hörbuch gibt es Kaya auch schon, Nette singt die Kaya-Songs und zu guter Letzt soll das Ganze bald verfilmt werden. Pferde und Frau Hauptmann sind ja gar nicht so sehr meins. Wie die Dame wohl auf diesen schönen Namen gekommen ist? Jetzt bin ich wirklich entsetzt und desillusioniert… Da kann mich selbst der Zusatz ‚frei und stark‘ nicht trösten.

Noch ein Nachtrag:

Was man nicht alles lernen kann! Tatsächlich sind auch jede Menge Orte in aller Welt bereits nach mir benannt worden, komisch, dass die mich gar nicht gefragt haben. Ebenso ein Baum (japanische Nusseibe) und eine Marmelade (Kokosmarmelade). Wenn irgend jemand das Rezept für diese Spezialität aus Indonesien bzw. Malaysia hat (bestehend aus Zucker, Kokosmilch und Ei), dann bitte bei mir melden! Wie es sich wohl anfühlt, sich selbst zu kochen? Und dann ist ‚Kaya‘ auch noch ein Wort auf Nauruisch (ausschließlich auf Nauru gesprochen, dem kleinsten Flächenstaat der Erde, vom Versinken im Meer bedroht, mit dem weltweit höchsten Anteil an Diabeteskranken und ursprünglich mit einer monotheistischen Religion mit weiblicher Gottheit, 1888 von Deutschland annektiert und missioniert, durch Phosphatabbau zwischen 1970 und 1980 der zweitreichste Staat der Welt, dann verarmt, Deutschland zahlt jährlich 2,7 Mio. Euro Entwicklungshilfe an Nauru, noch mehr Informationen). Auf Nauruisch ist kaya also ein Adverb und bedeutet so viel wie ‚vielleicht, wahrscheinlich, womöglich, vermutlich‚, das gefällt mir gut! Ich stelle mir ein Gespräch zwischen mir und einem Nauruer vor: "Würdest Du mir sagen, wie Du heißt?" – "Vielleicht!"…

Naja…

5 Comments for “Kaya”

Papa(i)

says:

Kaya!

Weitere Vermutungen über die Ursache deines Vornamens:
1. Variation des Vornamens deiner Mutter „Maja“,
2. Variation des Vornamens deines Onkels „Kay“,
3. Geläufiger weiblicher (!) Vornamen in Finnland,

aber wirklich nicht das Gras!

4. Übrigens läuft auch ein Gepard mit dem Namen „KAYA“ durch Südafrika; nachzulesen unter http://www.kayawines.co.za
aber der wurde garantiert erst nach dir geboren.

Papa(i)

Norman Liebold

says:

Ruf- und Übernamen sind Quellen für die Mentalitätsforschung. Die Gedanken- und Gefühlswelt bestimmter Völker und Epochen spiegelt sich in german. Rufnamen ebenso wie in Vornamen des 18. Jh. oder auch darin, welche Familiennamen die Juden im 19. Jh. oder die Türken unter Kemal Atatürk wählten (Yilmaz ›furchtlos‹, Kaya ›Fels‹ [meine Hervorheb. NL], Özdemir ›echt Eisen‹, Çelik ›Stahl‹, Utku ›Sieg‹; s. a. S. 221).
Quantitative Analysen der Rufnamenvergabe können Aufschlüsse über die öffentliche Meinung in vordemoskop. Zeit erbringen […]. (Kunze, Konrad: dtv-Atlas Namenkunde. Vor- und Familiennamen im deutschen Sprachgebiet. München 2004. S. 187))

Als Name kenne ich es tatsächlich nur aus dem Türkischen, Frau Kollegin felsenhart ;-). Ich finde Felsen ausgesprochen ansprechend.

Sprachspielerin

says:

Also, was auch immer der Name bedeuten mag, ob Fels oder Gras, fest steht, dass ich ganz zufrieden mit diesem Namen bin und damit, dass nicht so sehr viele (Frauen, außer in Finnland) mit dem gleichen Namen herumlaufen: ‚Kaya‘, das bin ich und niemand sonst, den ich kenne, das gefällt mir sehr gut!
Und zum südafrikanischen Wein: wo kriegt man den denn? Würde ‚mich‘ ja gerne mal trinken…
Und: ausgesprochen ansprechend…? Soso… 😉 ‚Ausnehmend einnehmend‘ wäre aber auch hübsch gewesen…

Norman Liebold

says:

Aber doch nicht in Bezug auf einen Namen, welcher wohl ausgesprochen ansprechend sein kann, jedoch weniger ausnehmenderweise einnehmend. Solches ließe sich dann höchstens vor Dir als Person behaupten, so ich in diesem Falle kompetent genug wäre, dergleichen Urteil abzugeben. Auch wenn so etwas zu sagen natürlich höflich ist, wenn nicht gar hövesch. Aber nur bei Hübschen ;-). Das ausgesprochen ansprechende war in der Tat auf den wie ich finde ausgesprochen hübschen (*g*) Namen gemünzt.

Es seien nebenbei alle Daumen für die 18 Prüfungen gedrückt. Nunja, alle Finger plus 8 Zehen :-D.

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