Requiem

Nimm sie zurück, Du kannst sie wiederhaben, Dir gehört sie, ich will sie nicht mehr, sie kann Dich nicht vergessen. Wenn sie zu mir aufschaut, dann sehe ich ihren Blick suchen, nach Ähnlichkeiten mit Dir. Wenn sie mit mir spricht, dann spüre ich, dass ihr Ohr nach Deiner Stimme und Deinen Worten verlangt. Wenn ich sie küsse, dann weiß ich, dass sie an Deine Lippen denkt, wenn ich sie berühre, weiß ich, dass sie Deine schlanken Pianistenhände ersehnt, wenn ich mit ihr schlafe, dann fühle ich ihr Begehren nach Dir, wenn ich sie stöhnen höre, scheint sie mir nur Deinen Namen zu hauchen.

Ich versuchte das Requiem eurer Liebe zu sein, requiem aeternam dona eis, aber es will nicht erklingen. Alles Fleisch ist wie Gras, nur nicht Dein Fleisch, an das sie unablässig denkt, wenn sie meines berührt. Es will nicht verdorren, so sehr ich mich auch bemühe, sie kann Dich noch immer nicht vergessen.

Ich wollte sie trösten, vorhin, ich wollte ihr Tee bringen, dampfend und besänftigend, aber sie hat mich nicht erhört, sie hatte kein Erbarmen mit mir, sie hat ihre Tür nur noch fester vor mir verschlossen und sich ans Klavier gesetzt. Sie spielt Deine Stücke, immer wieder die Stücke, die Du für sie komponiert hast und ihr vorspieltest. Sie spielt lang, Du hast ihr viele Kompositionen geschenkt und wenn sie fertig ist, beginnt sie von vorn. Es ist ein Tag der Tränen heute, sie weint, man hört es am Klang der Tasten unter ihren zittrigen Fingern.

Vielleicht denkt sie noch nicht einmal an Dich, nicht an die Trennung von Dir, sie ist vielmehr ganz in Deinen Stücken, ganz versunken in Dich. Ich hasse Deine Stücke und wie sie sie spielt, ich sitze wartend in der Küche, unterm ewigen Licht der Leuchtstoffröhre und fühle mich elend wie im Maul eines Löwen, aber ich wage es nicht, ihre Tür zu öffnen, ich wage es nicht sie anzusprechen. Bisher habe ich immer nur abgewartet bis es vorbei war.

Bis sie selbst die Türe öffnete, sie selbst herauskam zu mir, mit abgewendetem Blick. Ich empfing sie wie ein vom Himmel gefallenes Geschenk, wie ein verwirrtes Kind, wie eine Neugeborene und wenn sie mit mir ins Bett gehen wollte, tat ich so als wüsste ich nicht, dass ich nur das Feuer löschte, das Du, das Deine Musik in ihr entfachte. Ich glaube nicht, dass sie auch nur ein einziges Mal wirklich bei mir, mit mir war. Ich glaube nicht mehr, dass es besser werden wird, wie ich es lange geglaubt habe, ich glaube nicht mehr, dass sie mich lieben lernen wird, wie sie Dich liebte. Ich glaube nicht mehr an ein seliges Ende für uns. Sie kann Dich nicht vergessen.

Sie kann das Requiem nicht vergessen, das Du ihr versprochen hast. Das Requiem, das sie sich von Dir zum Geburtstag wünschte, das Du ihr komponiertest und ihr dann doch nicht gabst, weil es inzwischen vorbei war zwischen euch. Manchmal sitzt sie nur still vor dem Klavier, mit leerem Blick, die Hände im Schoß und denkt an die Schublade, in der ihr Requiem vielleicht liegt oder sie denkt an die Flammen, die ihr Requiem vielleicht verbrannt haben. Und sie denkt sich aus, wie es klingen könnte. Sie weiß nur, dass es mit einem Trompetensolo beginnen sollte, wir wissen warum, denn das war schon das Zeichen für euer Ende, ein Widerhaken in ihrem Fleisch, ein Widerhaken in Deinem.

Ich war dabei, als es passierte, es war nach einer Feier des Trompeters, zu der auch Du kommen wolltest. Du schienst vielbeschäftigt zu dieser Zeit, manchmal wolltest Du sie nicht sehen oder konntest es nicht, niemand von uns wusste genaueres. Du hattest versprochen zu kommen und ich weiß, dass sie sich schon freute, Dich dort zu sehen, aber dann kamst Du nicht. Dafür blieben wir um so länger, ich schlief auf dem Boden und sie im Hochbett des Trompeters. Sie war enttäuscht und betrunken, ich glaube nicht, dass sie nachdachte, sie wollte nur nach oben, ins Hochbett, und es war ihr egal, dass er ebenfalls hinaufstieg. Und ich schlief ein, zwei Meter unter ihnen.

Du kannst mir keinen Vorwurf machen, ich hätte es nicht verhindern können, auch wenn ich Dein Freund war, so wie der Trompeter Dein Freund war. Das einzig Rätselhafte war, dass sie es Dir nicht einfach gestand, dass sie den Trompeter im Rausch geküsst hatte und zu Dir zurückkehrte, Du hättest ihr doch verziehen. Später erklärte sie mir, dass sie dem Anschein der Inkonsequenz aus dem Weg hatte gehen, sich ihre Wankelmütigkeit nicht hatte eingestehen wollen, zu dem Versprechen zu stehen versuchte, das sie dem Trompeter mit ihren Küssen gegeben zu haben glaubte. Sie wollte ihm nicht weh tun, sie mochte ihn. Aber sie liebte Dich.

Und deshalb kam sie dann doch zurück zu Dir: eine Trompete könne immer nur eine Melodie spielen, hat sie mir später gesagt, während die Orgel doch meist drei- oder vierstimmig sei und wenn nötig könnten sogar allein die Füße vierstimmig spielen. Sie sagte es, als sei das eine Erklärung für ihr Verhalten. Du hast sie noch einmal zurückgenommen, nach Wochen, aber der Bruch zwischen euch wollte nicht mehr heilen und die Ankündigung des Trompetensolos am Beginn ihres Requiems war nur eine der Gemeinheiten, nur eine der vielen kleinen Quälereien, die Du ihr zufügtest.

Sie sagt, sie habe das Gefühl, Dich getötet zu haben in dem Moment, in dem sie Dich dann endgültig verlassen habe. Weil Du daraufhin völlig aus ihrem Leben verschwunden seist, plötzlich, nichts mehr mit ihr zu tun haben wolltest, nichts, ihr das Requiem verweigertest. Du gabst ihr nur ein kurzes Stück zum Abschied, das sie nicht spielen wollte, denn es war überschrieben mit: Kaltes Lebewohl.

Ich blieb der Freund an ihrer Seite und begann von diesem Moment an zu warten, bis ich etwas anderes für sie würde sein können, bis sie mich erhörte, sich meiner erbarmte. Ich hörte mir geduldig wie ein Lamm an, was Du ihr immer noch und immer noch bedeutetest, wie sie ihre Loblieder sang und tausend Mal Hosanna. Und dass sie nicht vergessen konnte, wie sie zum ersten Mal bei Dir war und danach die Decke noch mit schamrotem Gesicht bis über ihre nackten Brüste zog und wie Du ihr Erdbeereis brachtest, dann. Sie kauft oft Erdbeereis und ich erfuhr mehr, als ich wissen wollte, ich weiß mehr, als ich wissen sollte. Ich habe keine kleine, nein, eine große Zeit lang Mühe gehabt, mit ihr und ich finde keinen Trost. Mein Leben hatte ein Ziel, ihre Liebe, aber ich kann sie nicht erlangen. Jetzt weiß ich: sie kann nicht hinwegkommen über Deine Erdbeerküsse.

Stundenlang hört sie manchmal das Mozart- oder Brahms-Requiem, als könne sie daraus erahnen, wie Deines klingen könnte. Stundenlang hört sie die Orgelstücke aus Schlafes Bruder, denn Du hattest ihr versprochen, die Stücke zu üben, um sie ihr vorzuspielen. Immer wieder hört sie die rasende Toccata Tu es petra von Henri Mulet und denkt dabei an den Moment, in dem ein Schmetterling durchs herbstliche Kirchenschiff segelte, wie getragen vom Atem der Orgel, während Du dieses Stück spieltest. Wenn sie eine Orgel hört, dann denkt sie immer nur an Dich und manchmal weint sie einen Tag der Tränen lang um Dich, immer noch.

Sie öffnet die Tür nicht, ich sitze wartend in der Küche, unter dem ewigen Licht der Leuchtstoffröhre und sie spielt immer wieder dieses Stück, das von Dir sein muss, es ist Dein Stil, aber ich kenne es noch nicht. Es kann nur das Kalte Lebewohl sein, aber es klingt nicht so. Es klingt sanft, zärtlich, liebevoll und warm, sie hört nicht auf, es immer wieder zu spielen. Ich weiß nicht, was ich jetzt tun soll. Ich ertrage dieses Stück nicht, das sie zum ersten Mal spielt, in das sie versinkt, in dem sie aufgeht wie in ihrer Liebe zu Dir, ich wünschte sie hätte es nie gespielt, wie sie es zwei Jahre lang niemals spielte, in einer Schublade verbarg, den Titel scheuend.

Was soll ich tun? In manchen Momenten des Zorns dachte ich, sie zu verlassen wäre zu wenig, würde meine Demütigung nicht wieder gut machen, ich wollte warten auf einen Tag der Rache, wollte kein Lamm sein, mich nicht zur Opferbank führen lassen. Doch ich liebe sie immer noch. Wer rettet mich vor dem Rachen des Löwen? Wer erbarmt sich meiner? Ich trage Leid, ich trage Traurigkeit, aber wes soll ich mich trösten? Ich werde gehen müssen.

Nimm sie zurück, sie wird immer Dir gehören, ob Du willst oder nicht. Nimm sie zurück und gib ihr ihr Requiem, spiel ihr Schlafes Bruder vor, lass die Orgel atmen, lass die Kirchenbänke vibrieren von ihrem gewaltigen Klang und lass Schmetterlinge fliegen für sie. Gib ihr Erdbeerküsse und nimm sie zurück, sie gehört Dir, sie wird Dich nie vergessen. Ich will sie nicht mehr, ich gebe auf, ich werde gehen, requiem aeternam dona nobis.

Vom Reden und vom Schweigen

Ich fühle mich nicht schweigsam. Ich rede nur wenig. In mir läuft aber immer die Wortmaschine, die Formulierungen sucht und Funken sprüht, die tuckert und glüht, die Wendungen enträtselt und den rechten Ausdruck im rechten Moment ausfindig macht. Selbst wenn ich dennoch schweige. Das anhaltende Schnurren meiner Gedanken lässt mich mir selbst nicht schweigsam erscheinen, auch wenn kein Laut nach außen dringt, auch wenn ich weiß, dass ich schweigsam bin, weil es mir gesagt wird und weil es mir doch klar ist, wenn ich darüber nachdenke und die Worte zähle, die meinen Mund verlassen.

Kennt ihr den Film Das Piano? Die Protagonistin Ada ist stumm, aber sie drückt sich durch ihr Klavierspiel aus und deshalb kommt sie sich selbst gar nicht stumm vor, wie sie sagt. Sie kommuniziert nur anders. Ähnlich geht es mir mit dem Schreiben und den Worten in meinem Kopf, die mir schon ausreichend erscheinen, ein Genug an Kommunikation, wenn ich in meinem Kopf diskutiere und streite und abwäge und entscheide, auch wenn das verborgen bleibt. Wenn es doch nach außen soll, dann schreibe ich lieber als zu reden.

Und dann erliege ich manchmal der Idealvorstellung einer wortlosen Verständigung, eines Verstehens meines Innersten, ohne dass ich es wortreich nach außen stülpen müsste. Und dann wundere ich mich, wenn es nicht gelingt, wenn die wortlose Konversation der schnurrenden Gedankenmaschinen in uns versagt, wenn es zu Missverständnissen und Streitigkeiten und kleinen Verletzungen kommt, die vermeidbar gewesen wären, wenn ich nur geredet hätte, laut. Dann bin ich ein wenig verletzt, aber vor allem verwundert. Die Maschine in mir läuft so reibungslos, so geölt und glatt, dass es mich erstaunt, dass sie doch nicht nach außen dringt. Es ist doch alles so klar, die Gedanken so lange gekaut, die Schritte zergliedert, die Gespräche so genau vorformuliert in mir, weshalb nur weiß der andere nichts davon?

Mein Vater sprach einmal von alten Ehepaaren, die sich so gut kennen würden, dass sie nicht mehr miteinander zu sprechen brauchten, weil sie ohnehin schon wüssten, was der andere dächte. Ich glaube, er hat das nur einmal erwähnt, aber dieses Bild hat sich mir tief eingebrannt. Seitdem sehe ich die beiden vor mir, sich gegenüber in zwei mächtigen Ohrensesseln sitzend, sich in die Augen sehend und nicht schweigend, nein, still redend, der eine einen Gedanken zum anderen schickend, den dieser schon zuvor erraten hatte, worauf der andere nur mit einem Gedanken zu antworten bräuchte, darauf vertrauend, dass der diese Antwort ohnehin schon lang kenne. Eine sich ewig fortspinnende, ideale Konversation, ohne Missverständnisse und Störungen, unbeschadet der beiderseitigen Taubheit, bis beide sich zeitgleich wie auf Kommando wortlos aus ihren Sesseln erhöben und gemeinsam zu Bett gingen, bis sie sich küssten und sich schweigend eine gute Nacht wünschten. So stelle ich mir das vor.

Ich denke, mein Vater meinte diesen Satz eher negativ, diese Alten hätten sich nämlich nichts mehr zu sagen, für mich wird er aber zum Ideal: nicht sprechen müssen, dennoch verstanden werden und nicht mehr schweigsam erscheinen, nur noch schreiben, nicht mehr reden, erklären müssen. Obwohl es zu zweit noch einigermaßen geht. Schlimmer wird es erst in größeren Gruppen, etwa ab vier Menschen. Ich mag es nicht, wenn sich mehr als zwei oder maximal drei Augenpaare auf mich richten. Ich saß schon Abende lang in einer fröhlichen Runde, mit Menschen, die ich wirklich mochte und mit Gesprächsthemen, die mich interessierten und sprach dennoch fast kein Wort.

Ich glaube nicht, dass das bloß Schüchternheit ist. Es ist die Angst, angeblickt zu werden, es ist aber auch einfach das Gefühl, nicht noch eine Meinung beitragen zu müssen, wenn es schon drei zum Thema gibt. Es ist nicht das Gefühl, nichts zu sagen zu haben, eher ein Bedauern über das Ungenügen des mündlichen Ausdrucks, die Befürchtung, diese meine ungenügenden Worte könnten untergehen im Wörtermeer der anderen, meine Worte seien besser aufgehoben dort wo sie sind: in mir, in meinem Kopf, ausgespuckt von der tuckernden und surrenden, der tackernden und schnurrenden Wortmaschine.

Ich bin nicht schweigsam. Das scheint nur so.

Abgeschmiert

Mein heißgeliebter und bisher sehr, sehr braver Laptop, ein Acer TravelMate 290, hat mich am Mittwoch morgen einfach so und ohne Vorwarnung im Stich gelassen. Ging plötzlich aus und war dann nicht mehr hochzufahren, nur ein paar Geräusche, Lüftung und ein schwarzer Bildschirm, es ging gar nichts mehr! Ziemlich schnell haben wir dann festgestellt, dass das ein sehr häufiges Problem bei diesem Modell ist und zwar immer so nach guten drei Jahren (wie man u.a. hier im Beitrag mit 178 Kommentaren nachlesen kann, die Google-Suche gibt aber auch sonst viele Treffer dazu her). Jetzt, nach ca. dreieinhalb Jahren hat es meinen (einen TM 292 LMi) also auch erwischt.

Es scheint tatsächlich ein Produktionsfehler zu sein, bei Einsendung bei Acer wird wohl das Mainboard ausgetauscht, Acer zeigt sich da nicht sehr kulant und verlangt ca. 400-500 Euro, das fällt für mich aus (außerdem wurde berichtet, dass auch ein neues Mainboard dann nach ca. einem halben Jahr wieder den Geist aufgibt). Sämtliche anderen Tips haben nicht funktioniert, wir haben das Ding fast komplett auseinander- und wieder zusammengebaut (die Einzelheiten erspar‘ ich euch jetzt mal, ich habe aber noch nie so viel über Computer gelernt; so, so und so sieht das also von innen aus).

Hat alles sehr viel Zeit und vor allem auch Nerven gekostet, war wirklich kein Spaß, vor allem weil ich befürchten musste, dass sämtliche Daten futsch sind (u.a. meine Mails und Mailadressen, meine Termine, meine Feeds, meine Lesezeichen und was weiß ich sonst noch alles…). Die meisten meiner Dateien hatte ich vor einem Monat immerhin mal auf CD gebrannt. Aber wir haben die Hoffnung nicht aufgegeben, noch an die Festplatte zu kommen und haben ein Festplattengehäuse besorgt und das angeschlossen: siehe da, das meiste scheint noch da zu sein, vielleicht hat die Festplatte zwar auch einen Schaden, aber extern angeschlossen ist sie immerhin noch zu gebrauchen!

Ich bin also heilfroh, dass das meiste gerettet werden konnte, meinen Laptop kann ich jetzt aber auf den Müll werfen… War nicht ganz billig damals und dreieinhalb Jahre ist ja nun nicht so schrecklich alt! Und dann ohne irgendeine Warnung plötzlich abschmieren! Also, liebe Leute: immer alles schön sichern, man weiß ja doch nie, was in diesen Maschinen so vor sich geht!

Vorläufig hat mir meine Mutter ihren Compaq-Laptop geliehen, auch schon ca. 4 Jahre alt, aber er geht, war aber natürlich auch wieder Arbeit, den fürs Internet herzurichten, Programme runterzuladen, meine Daten draufzupacken, wir sind auch noch nicht ganz fertig damit… Für den Übergang geht das, aber über kurz oder lang werde ich mir dann wohl einen neuen zulegen (ich liebäugle ja mit einigen HPs. Oder doch ein Dell mit orangenem Klavierlack?).

Hatte ich nicht geschrieben, das Leben (und Bloggen) könne jetzt wieder losgehen? War wohl erstmal nichts… Und eigentlich sollte ich mich ja auch auf mein Italienisch-Examen vorbereiten… Ojeoje… Na dann frohe (und winterliche) Ostern! Oder war’s Weihnachten?

Vorbei!!!!

Ich hab’s tatsächlich überstanden! Diese furchtbaren Geschichts-Klausuren sind vorbei! Und ich habe jeweils einiges hinschreiben können und es steht auch nicht nur Blödsinn drin… Ich bin sehr erleichtert, dass sich mein Alptraum (nämlich zu keiner Frage etwas hinschreiben zu können und ein leeres Blatt abgeben zu müssen) nicht erfüllt hat! Also vielen herzlichen Dank fürs zahlreiche Daumendrücken (vor allem auch ans Katl und an den Lieblingsmenschen).

Ich bin aber auch ziemlich erschöpft, das war schon richtig viel Arbeit und vor allem auch Stress! Am Freitag war ich erst mal noch sehr aufgedreht, dann bin ich aber schon um halb zwölf ins Bett und habe über neun Stunden sehr fest durchgeschlafen (wie lange ich schon nicht mehr so viel und gut geschlafen hatte!). Jetzt habe ich ca. 1000 ungelesene Beiträge in meinem Feed-Reader und muss mal langsam schauen, was so außerhalb meiner Lernerei passiert ist…

Für mich kommen jetzt zwar noch drei schriftliche und elf mündliche Prüfungen, aber das ist irgendwie nicht mehr so schlimm: die drei schriftlichen in Italienisch sehe ich irgendwie lockerer, da werde ich schon irgendwie bestehen – und die mündlichen sind ja ganz anders: man weiß was drankommt, man hat es abgesprochen, kann sich vorbereiten, das ‚Richtige‘ lernen, kennt die Prüfer etc. Trotz der Menge an Prüfungen ist das alles also irgendwie deutlich angenehmer!

So: das Leben (und Bloggen) kann wieder beginnen!

Abtauchen

Ihr habt ja sicherlich schon bemerkt, dass es hier in letzter Zeit etwas stiller ist; das wird in den nächsten Tagen auch nicht besser werden, im Gegenteil, ich werde bis Samstag ganz ‚abtauchen‘, denn morgen habe ich mein Staatsexamen in ‚Alter Geschichte‘ (ich habe griechische Geschichte gelernt) und am Freitag die Prüfung in ‚Neuerer Geschichte‘ (1500-1800, ich habe mich vor allem auf die Zeit der Reformation vorbereitet). Wieder zwei fünfstündige Klausuren (und so verflucht früh) jeweils von 8.00 bis 13.00 Uhr.

Tja, und diese Prüfungen finde ich ganz schrecklich und mir fällt immer nur auf, was ich alles nicht gelernt habe und welche Fragen ich alle nicht beantworten könnte und so kann ich nur hoffen, dass irgendetwas drankommt, wozu ich etwas schreiben kann und ich kein weißes Blatt abgeben muss. Kein gutes Gefühl…

Also müsst ihr mir wieder die Daumen sehr fest drücken (das hat das letzte Mal ja schon ganz gut geklappt 😉 ) und dann bleibt nur die Hoffnung, dass das alles auch so ruhig und schön, beschaulich und bezaubernd wird wie in folgendem Video (mit Unterwasser-Skulpturen von Jason de Caires Taylor, die Musik ist von Yann Tiersen, der u.a. die Filmmusik zu Amélie und Good Bye Lenin! gemacht hat):

Besonders gefällt mir natürlich der Mann mit Schreibmaschine am Schreibtisch, über den die Fische witschen…

Mit Dank via Desideria | Es ist, was es ist…

Medusa

Meine Tränen machen mich
zur Medusa, der
schlangenhäuptigen mit
verzerrtem Gesicht, ich
beiße mir die
Lippen blutig mit
zu langen Zähnen und
winde mich
drachengeschuppt in
meinem Elend. 

Meine Tränen machen mich
zur Medusa und
Dich zu Stein.

Altern

„Der ist doch viel zu jung für Dich!“, sagten sie und ich verstand es nicht, verstand nicht das ‚zu‘ im Satz und nicht die Empörung in ihren Stimmen. Laut in den Stimmen meiner Freundinnen, leiser in denen meiner Kollegen und überdeutlich in der Stimme meiner Mutter. Ja, er ist jung, Mitte zwanzig. Aber wieso ‚zu jung‘ oder gar ‚viel zu jung‘, wer bestimmt darüber, wer setzt dieses Maß? Und was zum Teufel hat das mit mir zu tun, selbst wenn ich um so viele Jahre älter bin? Er ist jung und das ist er ohne mich und mit mir, nichts außer den verstreichenden Jahren kann daran etwas ändern, ich mache ihn weder jünger noch älter, nichts ändert sein Zusammensein mit mir an seiner Jugend. Warum also immer wieder dieser Vorwurf an mich?

Er gefiel mir und mir schmeichelte, dass er sich für mich interessierte, mir schmeichelte, dass er mich umwarb und küsste und begehrte, der mein Sohn hätte sein können. Wie man so schön sagt. Wie ich oft sagen hörte. Ich zweifelte, aber sein immer steif werdendes Geschlecht, sobald er seinen Körper an meinen presste, war ein Argument für sich. Eines der schönsten Komplimente für eine alternde Frau, eine Frau, die mehr fürchtet zu altern, als sie tatsächlich altert, ein Kompliment, das mich verjüngte und nach dem ich süchtig wurde, das ich immer wieder haben wollte.

Und er? Ich habe ihn nie gefragt, was er an mir als älterer Frau schätzte und ich habe immer geflissentlich vermieden, seiner Mutter zu begegnen. Er wollte lernen. Mehr war es anfangs nicht, erst dann verliebten wir uns.

Was es dann wurde? Eine ganz normale Beziehung, ohne ‚alt‘ und ohne ‚jung‘ und vor allem ohne ‚zu‘, zumindest wenn wir unter uns blieben. Eine schöne Beziehung, eine frische, junge, immer wieder überraschende Beziehung, etwas Aufregendes, eine liebevolle, zärtliche Beziehung. Erst dann begann, was wohl in jeder Liebesgeschichte irgendwann beginnt, weil eine jede altert mit der Zeit.

Ich schien mich abzunutzen wie eine Gegenstand, den man täglich berührt, Gewöhnung setzte ein. Mein Körper schien sich abzunutzen von Tag zu Tag und die Nacktheit meines Körpers erregte nicht mehr. Mein nackter Körper ruhte immer öfter neben seinem, ohne dass er reagierte, immer öfter umarmte er mich, ohne dass sein Geschlecht aufstand und gegen meine Pobacken drückte.

Ich hatte geglaubt, er würde mein Altern nicht mehr bemerken, denn er hatte mich ja schon älter kennengelernt, nicht mehr frisch und glatt und prall wie ein junges Mädchen. Ich dachte, er würde sich nicht an meiner Orangenhaut und meiner erschlaffenden Bauchdecke stören, wenn sie von Anfang an zu mir gehörten. Aber ich altere weiter, unaufhaltsam, das Erschlaffen schreitet fort und ich glaube, er bemerkt es doch. Er sagt nichts, aber ich spüre seine Blicke auf meiner weichen Haut, schräg und stumm und brennend in jeder meiner Falten. Oder bilde ich sie mir nur ein? Ist es nur, dass ich an nichts anderes mehr denken kann und deshalb Blicke spüre, die es nicht gibt?

Vielleicht ist es doch nur das Altern unserer Beziehung und nicht meines, das zu dieser Abnutzung und Gleichgültigkeit führt. Mein Körper ist abgegriffen von seinen Berührungen, er ist abgeküsst von seinen Lippen und die Wiederholungen werden seltener, er versagt mir seine Komplimente. Und nichts ist schmerzlicher als seine Lippen, die sich den meinen entziehen, mich nicht mehr küssen mögen, nichts ist demütigender als sein weiches Geschlecht, das mich nicht mehr will.

Ich liege neben ihm, dem jungen Mann, den alle für ‚zu jung‘ für mich halten und weine, wenn er eingeschlafen ist. Ich weine über das Ausbleiben seiner Berührungen, das Erschlaffen meiner Haut, ich weine über die Stärke seiner Begierde, die vorbei ist, ich weine darüber, dass ich mich jetzt erst wirklich alt fühle, neben ihm, der mich einst verjüngt hatte und der sich nun meinem abgenutzten Körper verweigert. Und doch liebe ich ihn, kann ihn nicht verlassen, muss mich täglich dieser Demütigung aussetzen und fürchte, dass er irgendwann gehen wird.

Nur manchmal, in guten Momenten, lächle ich und sage zu mir: Eigentor! Du wolltest begehrt werden von einem Jungen, Dich durch ihn verjüngen und schläfst jetzt unbegehrt neben einem, der Dir Dein Altern erst vor Augen führt. Selbst Schuld, denke ich dann, Du hättest hören sollen auf die Entrüstung in den Stimmen Deiner Freundinnen, Kollegen, Deiner Mutter, nur einmal, Du hättest Dich nicht verlieben, nicht süchtig werden dürfen und Du hättest es wissen müssen, dass auch Beziehungen altern, nicht nur Du, müder werden und schlaffer und sich abnutzen und dass nichts hilft dagegen.

Intoccabile

nur einmal Dir
die Haut berühren und
die sommergebliebenen Träume
vom Gesicht streichen

nur einmal Dir
Deiner Augen wintertragende
Blicke auffangen und
Dir durchs hellere Haar fahren

nur einmal Dir
Dein herbstliches Herz küssen
oder doch
die Frühlingshaut darüber

Draußen

Ich habe meine Gedichte in einen Umschlag gesteckt,
dunkel und tief,
ihn zugeklebt und sie hinaus geschickt in die Welt,
ganz alleine
und jetzt fürchte ich, dass sie frieren und sich fürchten.
Hätte ich doch besser ein gepolstertes Kuvert genommen,
in dem sie warm und weich ruhten,
aber jetzt sind sie draußen in Sturm und Kälte, der wiedergekehrten,
und ohne mich.
Doch sie sind zu zwölft und wie auf der Arche von jedem zwei,
sie liegen Wange an Wange miteinander
und können sich sanfte Worte zuflüstern,
Melodien ins Ohr hauchen,
sie können sich aneinander kuscheln und wärmen,
meine zwölf Gedichte,
darauf hoffe ich.