Einhornworte

Ich gehe raus, ein Einhorn finden, in den Wald natürlich, wohin auch sonst.
Im Vorbeigehen umarme ich ein paar Bäume, lausche dem Taubengurren und starre ins Wimmeln eines Ameisenhaufens. Ich lasse den Wind in mein Haar greifen, folge den Wegen der Rehe, pflücke und esse die gelbe, bittere Blüte des Huflattichs, denn das macht Hoffnung.
Dann setze ich mich auf die Lichtung, wo der Bach über rotbraunes Erdreich und moosig-grüne Steinbrocken plätschert. Die Sonne blinzelt ringsum durch die Blätter und tupft Muster auf den Boden.
So mache ich ein Loch in die Zeit, denn da wohnen die Einhörner.
Ich warte. Tauche ein in den Atem des Waldes.
Mit seinen flaumig-weichen Nüstern berührt es mich zart am Arm. Ich sitze still, während mir das Einhorn sanft in den Nacken atmet. Ich drehe mich nicht um; ich lausche.
Was ich heimbringe aus dem Wald, sind nur Worte. Aber es sind klare, lebendige Worte: Einhornworte.

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Auch dieser Text ist in der Anthologie „Das Einhorn macht keine Kehrwoche“ des Gmünder Autorenkreises erschienen (bestellbar beim Einhornverlag).

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