Begräbnis

Ich denke oft an meinen Tod, er ist Teil meines Alltags und ich verstehe nicht, wie andere Menschen jeden Gedanken daran verdrängen können. Was mir Sorgen und Angst macht, sind die Tode der anderen, nicht meiner. Ich bin mir oft bewusst, dass im nächsten Moment schon alles vorbei sein kann für mich, wenn ich Auto fahre, über die Strasse gehe, krank werde, besonders im November, besonders wenn es regnet und dass es irgendwann einmal sicher so sein wird und es ängstigt mich nur manchmal, nur manchmal fürchte ich mich davor, meistens betrübt es mich aber nicht besonders: so ist es eben. Und ist es nicht das, was unserem Leben Qualität verleiht?

Und nur damit es irgendwo nachzulesen ist und meine liebsten Menschen wissen, was ich wünsche: ich will meine inneren Einzelteile weitergeben, so viele wie nur möglich, ich möchte auseinandergenommen und so gut wie möglich ausgehöhlt werden, meine Organe weit verteilen, zu irgend etwas muss man schließlich gut sein und mir nützen sie dann ohnehin nichts mehr. Ich will verbrannt werden, Feuerzungen sollen als letztes an mir lecken, mich streicheln, mich besänftigend vernichten und eine billige Urne tut es auch, wenn sie nur gut schließt. 

Wenn es finanziell oder mit Freiwilligen irgendwie machbar wäre, dann wünschte ich, dass das Brahms-Requiem aufgeführt wird oder zumindest Teile daraus, mit Orgelbegleitung, zumindest eine Sopranistin soll singen: Sehet mich an: Ich habe eine kleine Zeit Mühe und Arbeit gehabt und habe großen Trost funden oder ein Bariton: Herr, lehre doch mich, daß ein Ende mit mir haben muß, und mein Leben ein Ziel hat, und ich davon muß. Siehe, meine Tage sind eine Hand breit vor dir, und mein Leben ist wie nichts vor dir.

Nicht weil ich gläubig wäre, sondern weil ich Musik und Bibelsprache liebe und das Brahms-Requiem das wahrscheinlich freudigste unter den Requien ist (und es wird andauernd von Freude und Wonne gesungen und ihr müsstet aufpassen, dass ich nicht schief mitsinge aus meiner Urne). Lasst keinen Pfarrer sprechen, aber alle, die es wollen. Mein Begräbnis soll eine Feier werden und alle sollen sich betrinken, mir zu Liebe. Sie sollen Musik hören, tanzen und die Wahrheit reden, sie sollen lachen und weinen und spät schlafen gehen, bis sie in die Kissen sinken zu einem traumlosen, sanften Schlaf.

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