Literaturblogs

Eigentlich wollte ich das ja schon auf dem FrauenBarCamp erzählen. Da war dann aber keine Zeit und kein Raum mehr zur Verfügung. Also hole ich es jetzt einfach als Artikel hier nach: Die Vorstellung einiger Literaturblogs. Das bedeutet, dass ich nicht theoretisch danach fragen werde, was ein Literaturblog ist, sein kann und wie man ihn definiert, was genau sich nun Literaturblog nennen darf und was nicht. Das können andere sicher viel besser. Es bedeutet einfach, dass ich einige Blogs hier verlinken und kurz beschreiben möchte, damit sich Interessierte gegebenenfalls von dort aus auch weiterklicken können. Natürlich eine höchst subjektive Auswahl.

Aber zuerst: was ist für mich ein Literaturblog, welche Art von Blog führe ich hier an? Ich verstehe darunter zunächst einmal keinen Bücher-Rezensionsblog wie z.B. Liisas Litblog oder auch den Lesekreis. Ich verstehe darunter auch nicht das Tagebuch eines Schriftstellers, wie wir es etwa beim „Leipzig-Tagebuch“ von Else Buschheuer (u.a. Autorin von Ruf! Mich! An!) haben. Erstens erzählt sie hier ausschließlich Geschichten aus ihrem Leben und kommentiert ihren Alltag. Auch wenn das sogar schon in Buchform erschienen ist, für mich sind das keine literarischen Texte im engeren Sinne. Außerdem kann man sich sogar streiten, ob das ein Blog ist: man kann nicht kommentieren! Für mich ist das aber ein Definitionselement, das ganz elementar zu einem Blog gehört.

Was ich also unter Literaturblogs verstehe, das sind „Literarische Blogs“, also Blogs, auf denen literarische Texte (Lyrik oder Prosa) veröffentlicht werden. Das muss nicht ausschließlich der Fall sein (natürlich sind meist auch persönliche Texte eingestreut), aber doch überwiegend. Natürlich ist das eine winzige Nische in der (in Deutschland) ohnehin nicht so großen Blogwelt. Hier wird kein Geld verdient, hier finden sich relativ wenige Leser, hier kommt niemand in die Blogcharts. Die Frage, die sich nun also stellt: Wie findet man literarische Blogs?

Ein möglicher Startpunkt ist trotz allem immer noch das Online-Magazin mindestenshaltbar, das bedauerlicherweise im Mai 2008 eingestellt wurde. Trotzdem findet man hier jeweils zu einem bestimmten Thema literarische Texte von Bloggern und Bloggerinnen. Die Blogs dieser Autoren sind wiederum verlinkt, so dass man sich hier schon einige interessante Literaturblogs zusammensammeln kann. Mindestenshaltbar wurde erst von Katharina Borchert geführt, dann von DonDahlmann übernommen und von knallgrau betrieben, bis diese keine Lust mehr hatten. Das ganze ist magazinmäßig aufgezogen, glänzte jeweils durch eine tolle Grafik, setzte sich bei jeder Ausgabe ein bestimmtes Thema und außerdem gab es Podcasts zu ausgewählten Beiträgen.

Wie gesagt: tot, leider. Eine „lebendige“ Sammelstelle für Literaturblogs findet man unter Litblogs.net, die schließlich im Untertitel schon „literarische Weblogs“ heißen. Dort sind die Feeds von momentan 17 selbständigen literarischen Blogs versammelt. Das Projekt wurde 2004 von Markus A. Hediger und Hartmut Abendschein gegründet und gedeiht und wächst seitdem sanft vor sich hin. Die Feeds aller Blogs sind dort direkt als Paket abonnierbar. Es lohnt sich wirklich, dort zu stöbern!

Einer der dort vertretenen Autoren ist Alban Nikolai Herbst mit seinem Weblog Die Dschungel. Alban Nikolai Herbst heißt eigentlich Alexander von Ribbentrop und lebt als freier Schriftsteller in Berlin. Bekannt wurde er wahrscheinlich vor allem durch einen „Literaturskandal“, gegen seinen Roman „Meere“ hatte eine ehemalige Gefährtin 2003 eine einstweilige Verfügung erwirkt. Alban Nikolai Herbst (kurz auch ANH genannt) bloggt seit 2004 und nennt sein Blog auch „seinen Roman“. Dieser heißt nicht umsonst „Die Dschungel“, denn der Aufbau der Seite mit all den Unterkategorien und mit all den anderen Autoren, die neben ANH selbst auf „Die Dschungel“ schreiben, ist höchst kompliziert und verschachtelt und außerdem von einer Vermischung von Fiktion und Realität gekennzeichnet. Das sollte einen vom Lesen aber keinesfalls abhalten. Auf der Hauptseite finden sich jeweils eigene und fremde Texte, aber manchmal auch Gedichte, die noch überarbeitet werden. Die Überarbeitung durch und nach Kommentierung wird so sichtbar, was ein höchstspannender Prozess ist. Außerdem gibt es Albans Arbeitsjournal, aus dem ersichtlich wird, dass der Arbeitstag des Autors jeweils gegen 5:30 Uhr beginnt. Auch als Mittel zur Selbstdisziplinierung gedacht (wenn ich das richtig verstanden habe), erfährt man dort, woran Alban arbeitet, welche Musik er hört und auch einiges aus seinem ganz persönlichen Leben. Mehr dazu kann man auch in der Rubrik Tagebuch lesen, wo allerdings nicht nur Alban selbst, sondern auch verschiedene andere Personen (von denen man nicht so genau weiß, ob es sie wirklich gibt) schreiben, die Identitäten bleiben unklar, was ja aber auch ganz reizvoll ist. Ein interessantes Projekt war auch Albans Werkstatt, eine virtuelle Literaturwerkstatt, die er in Zusammenhang mit seiner Poetikprofessur in Heidelberg begonnen hatte. Hier konnte jeder seine Texte einstellen, entweder einfach so oder zu einem gestellten Thema und Alban lektorierte und verbesserte. Sehr hilfreich und ein herausragender Service. Das Ganze ist inzwischen ins „Virtuelle Seminar“ der Uni Heidelberg verlegt worden, sicher auch einen Besuch wert!

Weitergehen soll es jetzt mit Sudabeh Mohafez, einer in Teheran geborenen Schriftstellerin, die in Stuttgart lebt und schon mehrere Erzählungen und einen Roman veröffentlicht hat. 2008 war sie für den Bachmannpreis nominiert, ebenfalls 2008 erhielt sie den MDR-Literaturpreis. Ihr Blog heißt ganz bescheiden „zehn zeilen – eukapirates versucht sich an der kleinen Form“. Sie schreibt hier in unregelmäßigen Abständen jeweils 10 Zeilen nach der Methode: maximal 10 Minuten schreiben, maximal 2 Mal überarbeiten. Mit immer wieder interessanten Ergebnissen.

Auch Benjamin Stein, der in München lebt, hat schon Preise erhalten, unter anderem für seinen Roman „Das Alphabet des Juda Liva“, 1993 hat auch er am Bachmannwettbewerb teilgenommen. Auf seinem Blog Turmsegler erscheint ein Mix aus Rezensionen, aus Gedichten und Zitaten anderer Schriftsteller mit Kommentar, Berichten aus dem eigenen Leben und eigenen literarischen Texten. So kann man auch hier dem Entstehen literarischer Werke zusehen.

Ein wunderbarer Lyrik-Blog ist Helmut Schulzes Blog „Parallalie“. Helmut Schulze lebt in Umbrien (Italien) und schreibt dort seine kleinen Texte.

Ein letzter Favorit von mir sind die Niemandslandtage. „Nellas Niemandsland: Neurosen, Nettigkeiten und notwendiger Nonsens“ enthält kurze Texte in einer wunderschönen Sprache, die einen besonderen Reiz nochmal daraus gewinnen, dass völlig unklar bleibt, ob sie fiktiv oder autobiographisch sind.

Natürlich ist das nicht alles und, wie gesagt, die Auswahl höchst subjektiv. Dennoch wäre das mal ein Anfang für alle Interessierten. Weitersuchen und -lesen kann man dann auch noch in den Links meiner Blogroll in der Rubrik „Literaturteil“ (und teilweise auch im Feuilleton).

13 Comments for “Literaturblogs”

Alexander Nicolai

says:

ich weiß nicht… mir erscheint das hier mehr als Werbung für litblogs.net, denn als selbst recherchierte Listung literarischer Blogs. eine solche Recherche betreibe ich gerade, und da gibt es wesentlich mehr.

Sprachspielerin

says:

Ähm, natürlich gibt es wesentlich mehr, ich habe nie behauptet, dass diese Liste vollständig ist, sondern vielmehr betont, dass man weitersurfen und -suchen kann und soll! Ich habe eben mal mit den prominentesten angefangen und mit denen, die ich gerne lese, das ist alles… Warum ich für Litblogs Werbung machen sollte, entzieht sich meinem Verständnis völlig. Abgesehen davon beginne ich z.B. mit mindestenshaltbar, was mit Litblogs überhaupt nichts zu tun hat…

Alexander Nicolai

says:

Okay… nur schreibst Du ja selbst, dass mindesthaltbar nicht weiter betrieben wird.
Lass es mich so formulieren: meiner Erfahrung nach bewegt sich jeder Blogger und die literarischen ganz besonders in einer Art Club mit anderen Bloggern. Ich denke, das ist auch ganz natürlich, menschlich.
Diffizil wird es meines Erachtens nach in der Definition von literarisch, weil der jeweilige Club natürlich auch sozialen Kontakt herstellt, und die Werte dieses Kontakts recht schnell die Kraft der Definition dominieren.
Das gilt meiner Erfahrung nach besonders für Litblogs.net, weshalb ich Litblogs nicht als Listung literarischer Blogs betrachten kann, sondern eben nur als Club, in dem im Zweifelsfall strategische Überlegung vor Befindlichkeiten geht, und erst nach Befindlichkeiten die Frage nach literarischen Aspekten gestellt wird.
Ehrlich gesagt, denke ich, dass auch das absolut menschlich ist – allein macht es das für mich als Versprechen von Literatur absolut unbrauchbar.
Ganz ehrlich: da mach ich es lieber wie mit Deinem Blog hier: ich google blind, und schau mir an, was passiert. Und wenn ich es interessant genug finde, um häufiger mal reinzulesen, dann setz ich einen Link darauf

Sprachspielerin

says:

Okay, ich verstehe, was Du meinst. Und meiner Meinung nach ist das natürlich die beste Vorgehensweise (so habe ich es anfangs natürlich auch gemacht). Bei dieser Vorstellung bin ich jetzt nur nach meinen subjektiven Vorlieben gegangen und irgendwelche „Clubs“ waren mir da ziemlich egal. Ich bin selbst ja nicht bei Litblogs und ich mag bei weitem nicht alle Blogs, die dort gelistet sind, ich lese sie auch nicht! Die Blogs, die ich hier aufgeführt habe, interessieren mich, die Clubs dahinter nicht. Ich weise ja auch auf meine Blogroll hin, wo jede Menge Blogs vertreten sind, die mit Litblogs überhaupt nichts am Hut haben.

Alexander Nicolai

says:

Nun – mit den Definitionen literarischer Weblogs tue ich mir auch ein wenig schwer. Ist ein gutes (Text)Blog nicht per se literarisch? auch wenn es denn Anspruch gar nicht erhebt?
und ist ein Blog, dass überwiegend andere Texte und Werke reflektiert, noch literarisch?
Und ein Blog wie Deines, das beides vereint?
mir schwebt da aus vergangenen Zeiten eine Idee heran, der Gedanke einer komplexen Listung, die in unterschiedlichen Kategorien alle ‚literarischen‘ Seiten listet (ohne ihre Inhalte einzubinden, wie bei Litblogs), allem voran sich entwickelnde Seiten. Mittels einer Blogsoftware ließe sich das und noch etliches mehr bewerkstelligen. Nun… ich werde noch einmal darüber schlafen – so ein Projekt kostet immerhin einiges an Zeit, aber falls ich das mache, dann komme ich auf Dich zurück – und sei es nur, um Deine Blogroll zu plündern 😉

liebe Grüße
Alex

Herr Rau

says:

Hallo Sprachspielerin, ich habe Probleme mit deinem RSS-Feed. Der letzte Eintrag im Reader ist von Silvester – und zwar die Sylvester-Geschichte (sic), die danach kommen nicht mehr. Bin nur ich das?

czz

says:

wollen Sie sich von ressentimentgeladenem widerspruch wirklich so rasch ins bockshorn jagen lassen ?
– und dies , zumal sich anhand der textgrundlagen dignität und hintergrund des kommentars so unschwer überprüfen lässt ? – –

wie traurig für die literatur , wenn sie als „petit fours“ beim teekränzchen gereicht wird –

Elysisch » Wie haengen Rezensionen und Literatur zusammen?

says:

[…] Diese Diskussion, auf die sich dieser Kommentar bezog, war sehr fruchtbar. Wobei, fruchtbar vielleicht das falsche Wort ist – Ergebnisse, nicht einmal klare Richtlinien konnten genannt werden, was einen Literaturblog nun wirklich ausmacht. Aber allein die Frage gestellt zu haben, ist ein Schritt in die richtige Richtung. Nachzulesen hier auf dem Blog von der Sprachspielerin. […]

sankt nikolaus

says:

Super Artikel, jetzt muss ich nur noch jemanden finden der Ahnung davon hat und mir das ganze nochmal im Detail erklären kann.
Weihnachtsmann Köln

Wie haengen Rezensionen und Literatur zusammen? | Elysisch

says:

[…] Diese Diskussion, auf die sich dieser Kommentar bezog, war sehr fruchtbar. Wobei, fruchtbar vielleicht das falsche Wort ist – Ergebnisse, nicht einmal klare Richtlinien konnten genannt werden, was einen Literaturblog nun wirklich ausmacht. Aber allein die Frage gestellt zu haben, ist ein Schritt in die richtige Richtung. Nachzulesen hier auf dem Blog von der Sprachspielerin. […]

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