Cadeau

Ich kann kein Französisch und ich weiß auch nicht, ob ich es noch lernen will. Als kleines Kind habe ich zwei Jahre in Südfrankreich gelebt und später war ich beinahe alle Ferien dort, im Haus im Dorf mit dem Schloss. Richtig gelernt habe ich es nie.

Aber Französisch ist die Sprache, in der mir jedes Jahr gesagt wurde, wie sehr ich gewachsen sei und in der ich gewarnt wurde, dass ich gleich herunterfiele von der Mauer vor unserem Haus. Französisch ist die Sprache, in der ich gefragt wurde, ob ich heute ans Meer fahre und die Sprache, in der ich schwieg mit Julien, als wir zwei waren und miteinander spielten. Ich erinnere mich nicht, wie wir uns verständigten.

Französisch ist die Sprache meiner Kindheit, einer südlichen Kindheit und kein deutsches Wort wird jemals die Süße der französischen Worte ‚bonbon‚, ‚gâteau‚ oder gar ‚cadeau‚ erreichen. Kein deutsches Wort könnte jemals die ungetrübte Kinderfreude in mir hervorrufen, mich mit weichem Wohlklang streichelnd. Denn kein Geschenk heute kann das Kinderglück herbeizaubern, das ich bei einem ‚cadeau‚ empfand.

Ich glaube, ich möchte kein Französisch mehr lernen, ich will die Erinnerungen nicht zudecken, ich möchte bleiben beim Halbverstehen und meiner schlechten Aussprache, beim Gestammel, wenn ich zu sprechen versuche, ich möchte bleiben bei meinen Fehlern, aber mir dafür den Zauber bewahren und den wohligen Schauer, wenn ich das Wort ‚cadeau‚ lese.

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